Stefanie, 54, Mitarbeiterin bei einer Krankenkasse

Ich habe mich lange dagegen gewehrt, dass Freunde sich durch äußere Ereignisse voneinander trennen lassen. Den Dialog mit Andersdenkenden fand ich immer notwendig und sinnvoll. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel wir Dinge betrachtet hatten, ergaben sie für jeden einen unterschiedlichen Sinn. Wir waren weniger egozentrisch, konnten mehr mit anderen mitfühlen.

Das erste Mal, dass ich unverrückbare Gräben wahrnahm, war bei den Reaktionen auf #alles dichtmachen (Es gab vorher schon Konflikte, aber man konnte noch darüber sprechen). Ich meinte, so geht man nicht mit anderen Menschen um. Die Antwort: Doch, das ist schlechte Kunst, verstörte mich.

Denken verboten!

Danach kamen Drohungen gegen Ulrike Guérot und Ausschlüsse diverser Künstler aus dem gesellschaftlichen Leben. Was für Tonfälle sind das eigentlich? Es gab auch die letzten Jahre Polarisierungen, aber nicht in dieser Ausschließlichkeit. Ich habe es vermutlich später gemerkt als viele andere, ich wehrte mich dagegen, nicht mehr auf der richtigen, bürgerlichen Seite zu stehen. Einige Berichterstattungen fand ich früher schon problematisch. Aber ich brachte entschuldigend an, na ja, man sollte natürlich für das Gute sein, auch wenn es sich wirtschaftlich nicht immer umsetzen lässt. Solidarleistungen können zur Verfügung gestellt werden, wenn sie vorher erarbeitet wurden.

Mitte 2021 konnte ich nicht mehr wegsehen: Wir durften nicht mehr anders denken. Vielmehr, wer eine andere Meinung hatte, dessen Gründe waren völlig egal, er wurde übel beschimpft, verhielt sich unsolidarisch, Freiheit war das Unwort des Jahres, und wurde ausgegrenzt. So viel Häme und Spaltung kam von der Politik, Prominenten und Medien über uns. Das Schlimmste: Die meisten in der Familie und im Freundeskreis haben so getan, als ob sie es nicht mitbekommen, haben die Diffamierungen relativiert oder mehr oder weniger mitgemacht.

Mobbing im Büro

Im Büro war man natürlich für die gute Sache! Ich habe keine „Schwurbel-Gedanken“ geäußert. Alleine dadurch, dass ich aus persönlichen Gründen ungeimpft war, wurde plötzlich alles anders. Der Kollege, der vom Impfbus zurückkam, war mehrere Tage der Held, die anderen verkündeten froh ihre Impftermine. Die meisten bekamen ständig Push-Nachrichten über neue Horror-Tote auf ihr Handy, es machte immer “ping, ping” und sie versuchten, an mir vorbeizuschauen.

Alle Kollegen im Großraumbüro hörten nach und nach auf, mit mir zu sprechen. Fragen wurden nur noch an bestimmte Personen gestellt, um zu verhindern, dass ich antworten kann. Obwohl abgesprochen war, das Radio auszustellen, war es plötzlich wieder an, weil man wusste, dass ich damit nicht klarkam. Meine Widerstandskräfte waren bald aufgebraucht, ohne Worte zog ich in ein leer stehendes Büro, alles war besser als das bleischwere Schweigen. Dort saß ich von Dezember 2021 bis April 2022. Es gab noch eine Frau, die sich manchmal zu mir setzte. Niemanden hat der Vorfall interessiert: weder der Teamleiter noch der Personalrat, noch Gewerkschaften.

Diskriminierung war plötzlich okay

Beim Eingang in der Geschäftsstelle hing ein Schild: Grün: Geimpft, Gelb: Getestet, Rot: Ungetestet, draußen bleiben! Ich blieb aber schön leise; die Abstimmung zur allgemeinen Impfpflicht hing wie ein Damoklesschwert über uns. Aber wir durften weiter arbeiten, im Gegensatz zum Pflegepersonal und zur Bundeswehr. Ich erwarte die juristische Aufarbeitung, langsam, es geht los.

Ende 2021 kehrte Stille ein, Kontakte nahmen ab, Familienbesuche wurden vertagt. Sicher, alle Menschen hatten Angst. Ich war stolz auf einen teilweise links angehauchten Freundeskreis. Wie viele Jahre haben sie mir von Anti-Diskriminierung erzählt! Insbesondere von dieser Seite wurde ich fallen gelassen. Ich weiß von drei Impf-Nebenwirkungen. Aber: Keine Kritik, wir sind für die gute Sache.

 


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