Manuela, 52, Praxismanagerin

Ich arbeite in einer Arztpraxis und möchte gern ein paar Vorfälle aus der Coronazeit schildern. Mittlerweile könnte ich ein ganzes Buch darüber schreiben. Vielleicht inspirieren diese kleinen Geschichten auch andere, über die Abläufe in ihrer Praxis zu erzählen.  Wir haben unsere Termine vor der Gesundheitskrise schon so organisiert, dass sich die Patienten nicht im Wartezimmer aufeinanderstapelten, daher war und ist eine individuelle Betreuung für uns kein Problem.

Panikpatienten

So haben wir jeden einzelnen Patienten nach dem Panikalarm aus dem Gesundheitsministerium 2020 angerufen und abgefragt, wie der Patient selbst die Situation einschätzt und ob er seinen Termin wahrnehmen oder lieber verschieben will. Es gab sie, vorwiegend 2020, die Patienten voller Angst. Wobei erstaunlich war, dass es zumeist nicht die vulnerablen Gruppen waren, die den persönlichen Kontakt vermieden, sondern eher die jungen Menschen bis etwa 25. Die älteren Damen und Herren sagten eher, na hören Sie mal, ich habe den Krieg und die Nachkriegszeit erlebt, da lasse ich mich doch von so einem Virus nicht beeindrucken.

Bekennende Freiatmerin

Frau K. bat um einen Termin und teilte sofort am Telefon mit, dass sie keine Maske tragen könne, sie habe diesbezüglich auch ein Attest und ob sie bei uns einen Termin bekäme. Das war, nachdem sie bei diversen Ärzten abgewiesen worden war. Meine Antwort lautete, dass sie selbstverständlich einen Termin bei uns wahrnehmen könne, auch wenn sie keine Maske tragen kann. Ein Attest wäre ebenfalls nicht vonnöten, erklärte ich ihr, denn die Verordnung spricht von Glaubhaftmachung. Wenn sie mir als Patientin schildere, dass sie keine Maske tragen könne, dann ist ihr auch zu glauben. Die Patientin war nach ihrer langen Odyssee auf der Suche nach einem Arzt sehr erleichtert.

Der VIP-Patient

Ab Mitte 2021 ging es dann los. Manche Patienten versuchten durch einen Stempel in einem gelben Heft einen schnelleren Termin zu ergattern. Bei Anrufen hieß es dann nicht mehr, ich bin Privatpatient, sondern „ich bin geimpft.“

Angst vor Vorurteilen

Herr B. meldete sich im April 2022. Er wollte einen Termin vereinbaren, es ging um ein Gerichtsgutachten. Er druckste am Telefon herum, sagte dann, er wäre nicht geimpft, ob er trotzdem einen Termin erhalte. Ich teilte ihm mit, dass es uns in der Praxis nicht interessiere, wer geimpft sei und wer nicht, dies sei schließlich Privatsache. Man konnte eine gewisse Erleichterung am Telefon spüren. Man merkte im Gespräch, dass da noch etwas war, was er sich nicht traute, auszusprechen.

Dann kam es: „Ich bin Russe.” Ich fragte ihn, was daran jetzt ein Problem sei und wen das etwas anginge. Man konnte spüren, wie eine große Last von ihm abfiel, die Angst, dass der Richter ggf. wegen fehlender Mitwirkungspflicht das Verfahren zurückweist. Der Mann brach in Tränen aus, weil er bei uns keinerlei Ressentiments erleben musste.


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