Julia, 42, Elektronikerin

Ich arbeite bei einem größeren Konzern und bin als Frau in meinem Job eher ungewöhnlich. Es war früher mein absoluter Traumjob: „Hauptsache rumschrauben!“. Heute kann ich das nicht mehr behaupten.

Ein früheres Trauma, das ich mit professioneller Hilfe bewältigte und an das ich schon seit Jahren nicht einmal mehr einen Gedanken verschwendet hatte, brach durch die Maskenpflicht wieder voll durch. Seit Mai 2020 war ich durch meinen Hausarzt in Absprache mit meiner Psychotherapeutin befreit, was mir auf der Arbeit aber leider nicht half. Über Anfeindungen, den täglichen Spießrutenlauf in Supermärkten, die Beschimpfungen als Mörder etc., darüber möchte ich hier gar nicht erst berichten. Stattdessen will ich erzählen, wie meine Kollegen mich behandelt haben. Es fällt mir wirklich sehr schwer, das ganze schriftlich festzuhalten und dabei halbwegs sachlich zu bleiben. Nach etlichen Verschärfungen musste ich in der Arbeit irgendwann „die Hosen runterlassen“ und meine Probleme mit dem Maskentragen offenlegen, ich konnte kein Schlupfloch mehr finden, wie durch freiwilliges Abstandhalten.

Stell‘ dich nicht so an!

Ich bekam anfangs noch eine Sonderregelung über die Werksärztin, dass ich die Maske 10 Minuten lang tragen müsste und dann draußen an der frischen Luft „lüften“ dürfe, solange da niemand in der Nähe ist. Ganz befreien könne sie mich nicht, denn ich würde „andere Mitarbeiter gefährden“. Die körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, hoher Puls und Blutdruck, Zittern, oft ein unsicherer Tritt, kalter Schweiß und Übelkeit begleiteten mich trotz Einhaltung der 10-Minuten-Regel täglich bis nach Hause. Eine Ruhezeit von etwa zwei Stunden und eine Kopfschmerztablette waren dringend nötig, damit ich überhaupt einfache Dinge wie Haushalt und Kochen erledigen konnte.

Ich habe alles mitgemacht, trotz täglicher Beschwerden, und konnte die Akzeptanzschwelle des Maskentragens sogar auf 15 bis 20 Minuten täglich ausbauen, je nach Tagesform. Ich liebte meine Arbeit und wollte weiterhin mein Bestes geben, trotz Einschränkung. Mich unterkriegen lassen, war keine Option.

Zu dieser Zeit hatte ich mich schon weitgehend von meinen Kollegen entfernt, da das Gerede losging, ich solle mich nicht so anstellen und müsse zum Schutz aller Kollegen mitmachen. Dann kam die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske, auch draußen auf dem Hof. Ab da wurde es dann richtig brutal. Bis dahin konnte ich es mit meiner selbstgenähten Maske so hin tricksen, irgendwie. Aber das medizinische Teil ging gar nicht, weil es am Kinn anliegt und bei mir augenblicklich Panik auslöst.

Abgesonderte Platzierung

Mein Hausarzt schrieb mich dann erst mal krank, da ich so unmöglich arbeiten konnte. Das kochte bei den Chefs bis zur Geschäftsleitung hoch. Diese hatte sogar angeregt, dass ich eine Sondergenehmigung bekomme. Von der Werksärztin wurde dies jedoch abgelehnt. So sah die Lösung aus: Da ich Menschen gefährde, müsse ich „abgesondert platziert werden“ und dürfe keinen Kontakt zu anderen Mitarbeitern unter einem Abstand von 1,5 Meter haben. Nur dann, wenn das erfüllt ist, dürfe ich mit meiner eigenen Maske kommen.

Das mit dem „abgesondert werden“ – ich habe bis heute nicht herausgefunden, wer den Wortlaut der Mail mit der Ärztin und Werksleitung ausposaunte, vermutlich einer meiner direkten Vorgesetzten – fanden gewisse Kollegen natürlich wichtig und richtig und es wurde auch Zeit, dass ich als Bazillenschleuder weit weg sein musste. Ich hätte schließlich „lange genug die Kollegen gefährdet“ und „deren Tod billigend in Kauf genommen“.

Die Arbeitsplatzgestaltung ein paar Tage später sah dann so aus: Es wurde ein Teil der Werkstatt, etwa drei Quadratmeter, zwischen Werkbank und Paternoster mit rotweißem Flatterband abgesperrt. Nur in diesem Bereich durfte ich mich aufhalten und den verhassten Lappen abnehmen.  Zur Toilette gehen durfte ich noch, aber natürlich nur mit Maske. Selbst da wollte ich noch das Beste draus machen und habe jede Arbeit ausgeführt, die man mir auftrug. Hauptsache, ich konnte halbwegs meinen Job erledigen.

Verweist sie in die Schranken!

Gewisse Kollegen waren erst mal zufrieden, mich so abgesperrt zu sehen. So sei es richtig, ich als „potenzielle Gefahr“ wäre endlich „in meine Schranken verwiesen“. Jede Beleidigung, jede Anfeindung gegen mich wurde so laut gegenüber den Vorgesetzten und untereinander geäußert, dass ich alles mitbekam. Dann mussten mir aber die Ersatzteile, ja sogar Schrauben usw. gebracht werden, da ich mir die ja nicht selbst holen durfte. Was selbstverständlich zu weiterem Unmut der Hetzer führte.

„Die da auch noch bedienen?“, auf eine „Gefährderin“ auch noch zugehen, das geht ja mal gar nicht! Ich sah meinen Pferch schon fast als Schutz vor den Kollegen. War ich denn ein Terrorist? Ich wollte nur noch meine Ruhe haben …

Ich habe das noch zwei Tage durchgehalten, dann war bei mir die Grenze des Erträglichen erreicht. Nervlich war ich komplett am Ende. Ich weiß bis heute nicht genau, wie ich nach einem Gespräch mit einem Vorgesetzten unter Tränen heimgefahren bin. Ein paar Tage verbrachte ich dann eigentlich nur auf dem Sofa, meistens weinte ich oder starrte vor mich hin …


Das ist der erste Teil von Julias Geschichte. Wie es ihr weiter in ihrem Betrieb erging und wie sich die Kollegen heute zu ihr verhalten, lesen Sie hier in Kürze …