Petra, 65, Technische Zeichnerin

Meine Mutter verstarb 2016 nach schwerer Demenz und mein Vater war alles, was ich noch hatte. Er kam im Frühjahr 2017 nach einem Oberschenkelhalsbruch, von dem er sich nicht erholte, ins Pflegeheim. Nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 konnte ich meinen Vater sieben Wochen nicht besuchen. Wir konnten telefonieren, aber er hat nie verstanden warum ich nicht komme. Er dachte, ich wolle ihn nicht mehr sehen. Er war einer der liebenswertesten Menschen die ich kenne. Im Heim war er sehr beliebt, weil er immer freundlich war und gern an allen Aktivitäten teilnahm. Im Lockdown gab es dort nichts mehr.

Aktivitäten? Vorbei!

Keine gemeinsamen Essen im großen Speisesaal, kein gemeinsames Singen, Spielen oder Basteln. Die Bewohner verließen ihre Station nicht mehr. Die Bewohner wurden morgens aus ihrem Zimmer geholt, ins Wohnzimmer auf der Station gebracht und verbrachten dort den Tag. Mein Vater wollte mich sehen und sagte das auch ständig, er verstand nicht, warum das plötzlich nicht mehr ging. Mitte Mai 2020 wurde er wütend und schlug mit der Hand gegen die Zimmertür, wobei er sich verletzte. Der Notarzt wurde gerufen und rief mich an, ich sollte mit meinem Vater reden und ihn beruhigen. Mein Vater bezweifelte, dass ich am Telefon bin und fantasierte, man wolle ihn “verrückt” machen. Auch äußerte er, dass er sich aus dem Fenster stürzen wolle. Das wäre niemals möglich gewesen, da er im Rollstuhl saß und nicht alleine aufstehen konnte. Da die Pflegekräfte ihn nicht aber beruhigen konnten, brachte man ihn in die Psychiatrie. Die kurzen Besuchszeiten ignorierte ich und wir machten einen langen Spaziergang. Zurück im Heim war er ein anderer Mensch, machte keine Witze mehr und wirkte teilnahmslos. Die Besuchszeiten wurden auf 1x pro Woche 30 Minuten beschränkt. Hinter dem Haus im Freien wurde ein Pavillon aufgestellt. Zwei Tische (2 m Abstand) und eine Plexiglasscheibe trennten mich von ihm. So saßen wir da, er mit Maske, ich mit Maske.

Mein Vater verstand die Welt nicht mehr

Ich sah seine Tränen, es zerriss mir das Herz. Nach ein, zwei Minuten waren mir die Vorschriften egal. Ich nahm ihm und mir die Maske ab, ging um den Tisch herum und setzte mich neben ihn. Die Pflegerinnen haben es gesehen, aber nichts gesagt. Weiterhin fanden keine Aktivitäten im Haus statt, die Bewohner saßen stumpf herum. Anfang August 2020 wollte mein Vater zu mir und versuchte, das Heim zu verlassen. Er konnte mit seinen Füßen den Rollstuhl bewegen und irrte durchs Haus. Die Pflegerin brachte ihn zurück auf Station, was ihm nicht gefiel. Er schlug um sich und war sehr aggressiv. Ein Arzt wurde gerufen, der ihn erneut in die Psychiatrie einwies. Dort angekommen, wurde eine Suizidgefahr diagnostiziert. Wieder waren meine Besuche dort sehr eingeschränkt. Ich hatte mehrere Gespräche mit der Psychiaterin und wollte, dass er zurück ins Heim kommt. Sie sagte mir, dass er bleiben müsse und ich nach einem geschlossenen Heim schauen soll. Man könne ihn nicht mehr ohne Aufsicht lassen. Nach einem sehr langen und ausführlichen Gespräch mit der Heimleitung kam diese zum Ergebnis, dass mein Vater doch wieder zurückkommen kann, nach drei Wochen und einer Unterschrift “auf eigene Verantwortung”. Es gab eine große Gesprächsrunde mit allen beteiligten Pflegekräften. Ich habe den Druck und die Bedenken der Pflegekräfte verstanden und versicherte ihnen, dass ich sie von der Verantwortung freispreche. Ich sagte ihnen: Freiheit geht vor Sicherheit. Sollte ihm etwas zustoßen und er zu Tode kommen, dann ist er in Freiheit gestorben.

Nach der Impfung kam der Einbruch

Sobald ich mit ihm alleine war, habe ich Maske und Plexiglasscheibe ignoriert. Ende 2020 wurde ich mehrmals von der “Impfärztin” angerufen, dass noch immer die Einverständniserklärung zur Impfung fehlt und es wurde mir suggeriert, dass er an eventuellen gemeinschaftlichen Aktivitäten ungeimpft nicht teilnehmen kann. Schweren Herzens habe ich Anfang Januar 2021 dann zwei Impfungen zugestimmt, Booster habe ich bis zuletzt verweigert. Von Januar 2021 (ab der Impfung) bis Ende 2021 hat mein Vater 2 Kleidergrößen zugenommen. Die Lymphe nahmen beträchtlich zu,
seine Füße und Hände waren aufgeblasen wie Ballons. In der Zeit entwickelte sich auch eine rasch fortschreitende Demenz. Er war vorher schon vergesslich, wie es bei einem 90-jährigen nun mal ist, aber er erkannte mich immer und wir redeten viel über alte Zeiten, Urlaube etc. Ob man dies der Impfung zuschreiben kann? Ich weiß es nicht. Dennoch war der Zusammenhang seltsam. Er hat mich zumindest bis zum Schluss erkannt, auch wenn es meist 15 Minuten dauerte, bis ihm die Erinnerung kam. Mein Schmerz und mein Unverständnis über das, was passiert ist, kennen keine Worte. Aber das alles zu erzählen, tut gut und hilft hoffentlich dabei, die Zeit der Menschenrechtsverletzungen aufzuarbeiten.