Vernachlässigung, mangelnde Fürsorge und Besuchsverbote im Krankenhaus. Das erlebte Heidis 86-jährige Mutter. Im letzten Teil der berührenden Geschichte rechnet die Tochter mit Ärzten und dem System ab, das alten Menschen ein menschenwürdiges Leben unmöglich machte. Hier geht es zum ersten und zweiten Teil …
Am Samstag, dem 14. November 2020 rief ich gegen 08.30 Uhr nochmals im Krankenhaus an, um zu erfahren, wann wir mit dem Transport meiner Mutter zu rechnen hätten. Eine freundliche Krankenschwester erklärte mir, dass alles geregelt sei; ich könne mit der Ankunft meiner Mutter nach etwa einer Stunde rechnen.
Ein schockierendes Bild
Freudig erwarteten mein Bruder, ein Pfleger aus dem familiären Umfeld und ich, meine Mutter. Gegen 10.00 Uhr traf der Transport ein. Das Bild, das wir sahen, schockierte uns. Wir möchten es hier veröffentlichen, damit jeder einen realistischen Eindruck bekommt, wie mit unserer Mutter umgegangen wurde. Und sich vielleicht vorstellen kann, was dies mit uns als Familie machte.
Meine Mutter traf im OP-Hemdchen zu Hause ein – obwohl wir Kleidung im Krankenhaus abgegeben hatte. Man hatte ihr das Gebiss herausgenommen und ungereinigt in einer Tüte beigefügt. Weder Zahnbürste noch Zahnpasta, noch Haarbürste wurden je benutzt. Sie war in einem schrecklichen, desolaten Zustand.
Das Erste, was meine Mutter von uns alsbald verlangte: „Kind, gib mir bitte eine Zigarette und eine Tasse Kaffee!” – und dann folgte der gewohnte Satz: “Dieter, ich habe Hunger!” Schön, dass Sie wieder zu Hause war. Die „Entführung“ war in Ihren Augen damit beendet.
Wollen wir das wirklich zulassen?
Also wenn das der Weg ist, wie das Gesundheitssystem mit unseren Alten in Krankenhäusern und Pflegeheimen verfährt, dann frage ich mich ernsthaft, ob wir das als Gesellschaft wirklich zulassen wollen? Können wir unseren Alten so ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, wenn sie in Not geraten?
Wenn ich richtig informiert bin, dann sterben zurzeit täglich deutlich mehr Menschen beim Gardinenpflegen und im Hobbykeller als an einem Virus. Ob wir als Kinder, Enkel, Partner, Anverwandte wirklich zulassen sollten, dass so mit unseren hilfsbedürftigen alten Menschen umgegangen wird, das ist für mich hier die Frage?
Ohne Rücksprache mit den Angehörigen und ohne die Möglichkeit der Mitsprache eine 86-jährige hilflose Frau so zu behandeln, das bewegt eine Tochter, die sich mit der Frage quält, wie „das kleine Bündel Mensch, alleine gelassen, hilflos und ohne die gewohnte Nähe und körperliche Anbindung, ohne Erklärung, allen Behandlungen ausgesetzt ist“. Alles geschah eigenmächtig und ohne Einblick in die Verfügungen, also ohne Begründung und Berechtigung – weil eben „Covid“ war.
Herzlos, gefühllos und ignorant
Eine Mitarbeiterin meines Teams erzählte mir jetzt, sie habe auf die gleiche Art Ihren Vater verloren. Ich frage mich, wenn es den Regierenden unseres Landes um die Alten und Schwachen geht, bei der Lage, in der wir uns doch angeblich befinden – wie kann man dann so herzlos mit Menschen und Familien umgehen? Krankenhäuser werden zu Gefängnissen und Menschen werden zu Tieren, die es zu erhalten gilt oder die eben sterben. Für die Gefühle, die in den Menschen vorgehen, interessiert sich weder ein Oberarzt, noch ein Facharzt. Die Pfleger und Stationsschwestern können sicher nichts dafür, dass diese „Sicherheits-Direktiven“ in unseren Krankenanstalten herrschen, aber Sie bekommen alles ab.
Kein Abschied von den Eltern
Ich kenne schon jetzt wieder drei Kolleginnen und Kollegen, die Ihre Väter und Mütter auf diese Weise verloren haben und die sich nicht verabschieden konnten. Ich will das nicht erleben.
Mir ist nur eines klar: „Sprechenden Menschen wird geholfen!“ Holt Euch Unterstützung, nehmt nicht hin, was Euch vorgesetzt wird! Wehrt Euch gegen Bestimmungen und Verordnungen, die einfach so erlassen werden können, weil ein Krankenhausmanager alles noch viel besser machen will, als die Regierung verlangt.
Inzwischen ist meine liebe Mama leider verstorben. Wir haben Sie im Januar 2021 beerdigt und ich kann sagen, dass ich so froh darüber bin, dass Sie, Ihrem Wunsch entsprechend, zu Hause von uns gegangen ist.
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Ich habe 18 Monate meine 84 Jährige Tante mit Hilfe eines Pflegedienstes gepflegt.Krebs im Oberkiefer, Oberschenkelhalsbruch, davor OP eines Wirbels. Das war ein 24h “Job” bin nie zur Ruhe gekommen und habe mir Nierenkolik eingehandelt. Dennoch bin ich froh das es NICHT 2020, sondern bereits 2015 war. Sie starb letztlich auf einer Palliativstation, ihre letzten Zeilen die mit Mühe lesbar waren: Ich möchte sterben..
Vielen Dank für die Offenheit und den tiefen Einblick in das kranke System.
Ein großer Trost ist, dass sie zu Hause sterben durfte, fern des brutalen Alltags in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Nicht um zu vergessen, aber um wenigstens irgendwann Frieden machen zu können.
Die Ohnmacht kenne auch ich.
Zwar erlebte meine Mama nur zwei Tage auf einer Intensivstation, aber ich bin sicher, dass sie dort erst schwer krank gemacht wurde. Ihr Tod kam plötzlich, nur Minuten nach der letzten Injektion, die sie noch abwehrte.
Liebe Heidi, Ihre Geschichte reiht sich ein in so viele, die ungehört bleiben sollten, aber jetzt laut werden.
Jedes Verbrechen. Jede Träne. Jeder Verlust.
Ich wünsche Ihnen Kraft und Mut.
Tragen Sie Ihre Erfahrung in die Welt.
Die Wahrheit ist durch nichts mehr aufzuhalten.
Lena
“Sie wollten uns begraben.
Sie wussten nicht, dass wir Samen waren.”
Dinos Christianopoulos
Ich weine immer noch über das was passiert ist aber danke für diese lieben Worte von dir , das sagt mir wirklich das ich doch alles versucht habe es richtig zu machen
Ganz lieben Dank