Birgit, 62, Sekretärin

Ich arbeite in einem großen Kölner Unternehmen als Sekretärin. Wie die meisten war auch ich am Anfang der Pandemie ängstlich und vorsichtig. Diverse Vorerkrankungen stuften mich als „vulnerabel“ ein. Doch relativ schnell kam mir einiges komisch vor. Warum wurde niemand gesund? Warum veröffentlichten die Medien immer nur die Gesamtzahl der Erkrankten, aber nie, wie viele wieder gesund wurden?

Mein Chef hat familiäre medizinische Hintergründe, daher dachte ich zuerst, der wird schon vernünftig agieren. Doch da hatte ich mich getäuscht. Er war und ist einer der größten Fanatiker, die ich mir vorstellen kann. Ich wurde ins Homeoffice geschickt. Zwangsweise. Das wollte ich aber nicht, da ich den Trubel an meinem Arbeitsplatz liebte. Er ließ meine Argumente nicht gelten und erwiderte, er habe die Verantwortung für mich, und ich hätte das zu machen. Basta!

Es wurden Pläne ausgetüftelt, wer wann in sein Büro durfte. Es war traurig, psychisch hielt ich es kaum aus. Auf meinen Schreibtisch wurde eine Plexiglasscheibe gestellt und noch dazu in 1,5 m Abstand weiß-rotes Klebeband auf den Teppich geklebt, damit nur ja niemand zu nah an mich herantrat.

Kollegen schrien und heulten

Das Zinnober ging aber erst richtig los, als die Impfung kam. Die Hysterie einiger Kollegen war entsetzlich. Bei uns im Unternehmen wurde strikt nach „Prio“ geimpft. In meinem Büro standen schreiende, heulende Kollegen, weil sie nicht in die erste Kategorie fielen und geimpft werden konnten. Es war schlimm für mich, da ich die Impfung ablehnte. Etwas, was ich nicht kenne, dessen Folgen ich nicht weiß, kommt für mich nicht infrage. Ich habe bereits einen Medikamentenschaden – nein, eigentlich sogar zwei, denn mein Geburtsfehler rührt von einer Medikamentengabe her, welches meine Mutter in der Frühschwangerschaft gutgläubig genommen hat.

Mein Chef äußerte tatsächlich einmal den Satz: „Man erkennt intelligente Menschen daran, dass sie sich impfen lassen.“ Da wusste er noch nicht, dass ich das ablehne. Er propagierte die Impfung wie eine billige Werbung im Privatfernsehen. Ständig das Thema … impfen, impfen, impfen. Ich spielte lächelnd mit …. denn ich musste mich ja noch nicht outen.

Andere verpetzen? Ohne mich!

Dann kam der Winter 2021/2022, als man nur noch geimpft oder getestet zum Arbeitsplatz durfte. Da musste ich dann beichten – das Gesicht des Chefs vergesse ich niemals. Jetzt ging es dann in die heiße Phase. Ich wurde damit beauftragt, die Impfbescheinigungen zu sammeln, ebenso die Testergebnisse. Mein Chef gab mir eine Liste an die Hand, auf welcher die von der Stadt Köln zertifizierten Testzentren standen. Das hieß, nicht nur zu kontrollieren, ob jeder brav getestet zur Arbeit kommt, sondern auch noch, ob es ein „richtiges“ Testzentrum war. Wenn dies nicht der Fall war, sollte ich die Kollegen melden.

Wir hatten einen, der ging immer zu diesem Online-Testzentrum; ich hatte ihn bis dahin nicht verpetzt. Nun kam aber der Tag, als ich mal nicht im Büro war – ich wusste vorher, dass mein Chef meine Aufgabe übernehmen würde. Den Kollegen hatte ich mehrfach gewarnt. Der blieb aber stur. Als mein Chef mich zur Rede stellte, stellte ich mich dumm. Ich bin nicht der Typ, der Kollegen anschwärzt – außer, es ist wirklich so etwas Verwerfliches, dass es anders nicht geht.

Am Rand der Erschöpfung

Das Ganze war für mich so furchtbar, dass ich kurz vorm Burnout stand. Ich merkte das daran, dass ich morgens immer langsamer zur Arbeit fuhr, und komplett unmotiviert war. Im Homeoffice saß ich dann eines Tages um 10 Uhr noch im Schlafanzug, ließ das Telefon klingeln, beantwortete die Mails nicht. Das war der Punkt, als ich mich dann selbst in den Hintern trat und mich krankschreiben ließ. Die erste Ärztin, die ich hatte, war sehr verständnisvoll und ließ mich direkt zwei Wochen zu Hause bleiben. Ich musste dann noch einmal zu ihr gehen. Leider war die andere Ärztin in der gleichen Praxis nicht so verständnisvoll, aber gnädig. Ich konnte nochmal eine Woche herausholen.

Mein Chef rief mich in der Zeit auch an und sagte zu mir, dass ich zugeben solle, dass ich Corona habe, ich wäre ja schließlich nicht geimpft – da müsste ich ja Probleme haben. Nein, ich hatte kein Corona!

Kein Vertrauen mehr

Auch heute noch ist mein Chef „voll auf Linie“. Ich diskutiere gar nicht mehr mit ihm. Es verletzt einfach nur. Im Oktober bin ich zehn Jahre lang im Unternehmen: Da gibt’s bei uns ein kleines Geschenk und eine „Ehrenrunde“ mit dem jeweiligen Vorgesetzten. Ehrlich gesagt, dazu habe ich gar keine Lust. Mein Chef ist eigentlich wirklich ein guter Chef, was die Arbeit angeht. Aber das C-Thema hat das Verhältnis getrübt. Auch privat kam es auch zu unschönen Vorfällen … ich könnte hier noch Seiten schreiben. Ich bin mit dem Thema noch lange nicht durch. Verzeihen und vergeben? Ich weiß es noch nicht. Es hat sich noch niemand, der mich angegangen hat, bei mir entschuldigt. Und es waren viele.

Corona war nicht das Problem

Einmal bin ich mit einer anderen Kollegin aus einer anderen Abteilung im Aufzug gefahren. Die prahlte mit ihrer vierten Impfung und meinte, sie würde niemals mit Ungeimpften im Aufzug fahren oder sich neben so jemanden stellen. Das war das einzige Mal, als ich froh war über diesen blöden Lappen im Gesicht – mein Grinsen wäre zu auffällig gewesen!

Es gab aber auch Kollegen, die mir die Stange gehalten haben und mich verstanden, die leider aber auch fast alle eingeknickt sind. Urlaub, Golfplatz, Ausgehen, deshalb ließen sie sich impfen. Viele sagen jetzt zu mir: “Birgit, sei froh, dass Du stark geblieben bist, ich habe seit der dritten Impfung nur noch gesundheitliche Probleme …”

Corona hatte ich jetzt – vor vier Wochen. Und was war? Drei Tage Fieber, ich war müde und schlapp, fertig. Ungeimpft, vulnerabel und über 60 Jahre alt habe ich diese „furchtbare“ Krankheit überlebt.


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